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Anwendungsgebiete

 

Anwendungsgebiete der Dendrochronologie

(Hierzu finden sich Literaturhinweise z.B. in: B. Schmidt, H. Köhren-Jansen, K. Freckmann. Kleine Hausgeschichte der Mosellandschaft (Schriftenreihe zur Dendrochronologie und Bauforschung 1) 2. Aufl., Köln, 2000.)

Die Jahrringforschung hat sich im Laufe ihrer Entwicklung immer weiter aufgefächert. In anschaulicher Weise beschreibt F. Schweingruber in seinem Buch "Der Jahrring" (13) diese Verzweigung und zeigt die Verknüpfung zu anderen Fachrichtungen auf. Innerhalb der Dendrochronologie nimmt die Datierung von Hölzern mit historischer Fragestellung breiten Raum ein. In erster Linie sind hier die archäologischen Holzfunde, Hölzer aus Gebäuden zu nennen, aber auch Skulpturen sowie Gemälde auf Holztafeln oder etwa antike Möbel.
In Verbindung mit den Erdwissenschaften lassen sich zum Beispiel mit der zeitlichen Einordnung von Holzfunden aus den Kiesgruben entlang den Flüssen ehemalige Mäander datieren (Flussgeschichte), oder es können etwa mit Hilfe von Hölzern aus Mooren Hinweise auf die Dynamik des Moorwachstums in vorgeschichtlicher Zeit gewonnen werden.

Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Fachrichtungen ist von größter Bedeutung; denn der Dendrochronologie werden auf diese Weise Hölzer größeren Umfangs für Datierungszwecke zugeführt, die der dendrochronologischen Forschung für weitere Analysen sehr zugute kommen.
So besteht zum Beispiel im Kölner Labor für Dendrochronologie neben der Datierung der Wohnbauten, wie in diesem Buch näher beschrieben, ein besonderes Interesse am Aufbau einer regionalen Eichenchronologie für den Moselraum. Die zeitliche Verteilung der dortigen Wohnbauten (13.-19. Jahrhundert) bietet für den Kalenderaufbau günstige Voraussetzungen.
Die erstellte Eichenjahrringchronologie soll einerseits zur Verbesserung der dendrochronologischen Datierungsmöglichkeit beitragen und andererseits für dendroklimatologischen Untersuchungen genutzt werden. Für die letztgenannten Untersuchungen ist der Ausbau weiterer regionaler Eichenchronologien für folgende Gebiete inzwischen weitgehend abgeschlossen: Moselgebiet, Westerwald, Eifel, Hunsrück, Pfalz, Rheingau, und Bergisches Land.

Auf einige Aspekte dendrochronologischer Forschung wird im folgenden eingegangen.

Dendrochronologie und Archäologie

Die Zusammenarbeit mit der Archäologie besteht wohl seit den Anfängen der Dendrochronologie. Mit den Datierungen zahlreicher indianischer Siedlungen aus dem Südwesten Amerikas zeigte E.A. Douglass (43) die Bedeutung dieser Methode als Datierungsverfahren für die Archäologie auf. Zu den datierten Objekten zählt auch die berühmte Felsensiedlung Mesa Verde. Die gelungenen Datierungen waren das Ergebnis jahrelanger dendrochronologischer Pionierarbeit, mit der E.A. Douglass in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts begonnen hatte (44).

Bis zu den Anfängen der dendrochronologischen Arbeiten in Europa durch B. Huber und seine Analyse zur Anwendbarkeit dieser Methode in der gemäßigten Zone Mitteleuropas (45) ist das Interesse der Archäologie an diesem Datierungsverfahren zu verfolgen (46). Bereits zu dieser Zeit wurden Hölzer aus der Grabung von H. Reinerth (47) am Dümmer und auf Veranlassung von H. Jankuhn aus der Grabung Haithabu/Schleswig in den Jahren 1940/41 (48) für jahrringanalytische Untersuchungen entnommen (49). Als B. Huber (50) mit der Untersuchung neolithischer Pfahlbauten aus den Schweizer Seeufersiedlungen Thayngen-Weier und Burgäschisee-Süd und -West eine chronologische Zuordnung gelang, war man von einer absoluten Dendrodatierung für diese Periode noch weit entfernt. Denn in jenem Stadium galt es zunächst, die Jahrringchronologien für die jüngeren Zeitabschnitte -Frühmittelalter bis Neuzeit - auszubauen.

Mit der oben erwähnten Eichenchronologie sind diese und weitere neolithische Seeufersiedlungen aus der Schweiz und Süddeutschland nun jahrgenau datiert, wie jüngere Untersuchungen eindrucksvoll belegen (51). Milden neuen Eichenjahrringkalendern wird die Anzahl datierter archäologischer Hölzer in den kommenden Jahren weiter ansteigen, und die archäologischen Chronologien dürften sich somit weiter verfeinern und absichern lassen.

Den umgekehrten Fall - Absicherung und Überprüfung der dendrochronologischen Datierung mit Hilfe einer nahezu jahrgenauen archäologischen Chronologie - findet man in der Regel nicht. Daher gilt das an der Lippe in Nordrhein-Westfalen gelegene, römische Militärlager in Oberaden als seltene Ausnahme. Durch Münzfunde lässt sich diese Anlage um 11 v. Chr. datieren, und darüber hinaus sind die dortigen Holzfunde sehr gut erhalten. Ihre dendrochronologische Datierung, ebenfalls in das Jahr 11 v.Chr., belegt die hohe Datierungsgenauigkeit dieser Methode.

Dendrochronologie und 14-C Methode

L. Libby gelang es im Jahre 1952, den radioaktiven Kohlenstoff 14-C zur Datierung organischer Materialien, wie z.B. Holz, Leder oder Knochen, zu nutzen. Der in den lebenden Organismen eingebaute Kohlenstoff 12-C und das Isotop 14-C haben das gleiche Mischungsverhältnis wie es in der Atmosphäre vorliegt. Stirbt ein Lebewesen ab, beginnt sich das Verhältnis durch den Zerfall der 14-C Isotope zu verschieben. Mit der errechneten Halbwertzeit von 5570 Jahren war es möglich, auf das Absterbealter eines Lebewesens zu schließen (52).

Durch Reihenuntersuchungen an den Baumringen langlebiger Bäume in Kalifornien stieß H.E. Suess (53) auf einen erstaunlichen Befund. Die ermittelten 14-C Datierungen der jahrgenau ausgezählten Zuwachsschichten wichen deutlich von den zu erwartenden Werten ab. Dieses Ergebnis ließ nun den Schluss zu, dass die 14-C Konzentration in der Atmosphäre schwankt.

Die somit erforderlich gewordenen Korrekturen bisheriger 14-C Datierungen auch von archäologischen Funden haben in der Archäologie zu regen Diskussionen geführt. Denn die konventionellen 14-C Daten waren z.B. für die Bronzezeit (Anfang bis Ende 2. Jahrtausend v.Chr.) um 250 Jahre und für die Jungsteinzeit (5./4. Jahrtausend v.Chr.) sogar um etwa 800 Jahre zu jung datiert worden. Die neuen (kalibrierten) 14-C Datierungen sind in der Archäologie nicht mehr umstritten und haben Eingang in deren Chronologie gefunden.

Jahrringbreiten und Klima

Die Breite eines Jahrringes ist das Ergebnis verschiedener auf das Wachstum eines Baumes einwirkender Faktoren. In der Aufeinanderfolge engerer und breiterer Jahresringe erkannte bereits Leonardo da Vinci im 15. Jahrhundert die Zusammenhänge zwischen Jahrringbreite und Niederschlagen. Ende des 19. Jahrhunderts hatte Theodor Hartwig klare Vorstellungen über die Entwicklung der Jahresringe und konnte Hagel-, Frost- und Insekten-Schäden datieren.

In den ersten Jahren dieses Jahrhunderts setzte der Amerikaner Andrew E. Douglass, der Begründer der Dendrochronologie, die Jahrringfolgen mit der Geschichtsforschung, der Klimatologie und der Astronomie in Beziehung und wies nach, dass die Schwankungen der Jahrringbreiten zeitgleicher Bäume so deutlich übereinstimmen, dass man sie zueinander jahrgenau datieren konnte. Ein Ziel der dendrochronologischen Forschung besteht darin, die Größe wachstumsfördernder und -hemmender Einflüsse auf die Bäume bei klimatisch-standörtlich unterschiedlichen Gegebenheiten zu ermitteln.

Für diese Zwecke wird an einem weltweiten Probennetz, mit bisherigem Schwerpunkt in Nordamerika und Europa, gearbeitet. Denn man weiß, dass in den Jahrringbreiten der Bäume Informationen über das Klima der Vergangenheit enthalten sind, die je nach Baumart, Klimaregion oder Standortbedingungen unterschiedlich verschlüsselt sind. Auf Grund dieser biologisch-ökologischen Komponenten ist eine Interpretation der Jahrringfolgen nach einem allgemein gültigen Muster nicht möglich.

Die klimatologische Erforschung von Jahrringbreitenfolgen - Dendroklimatologie - wird seit Beginn dieses Jahrhunderts betrieben. Sie ist von solchen Gebieten ausgegangen, in denen ein Witterungsfaktor begrenzend auf das Wachstum der Bäume einwirkt. In den ariden Zonen der Erde hängt der jährliche Zuwachs der Bäume in hohem Maße von den Niederschlagsmengen ab, wie z. B. die Arbeiten von Douglass (14), Fritts (15) und anderen belegen.

In der borealen Waldzone sowie in den Höhenlagen nahe der Baumgrenze zeigen die Jahrringbreiten der Bäume eine deutliche Temperatur- und Lichtabhängigkeit. Stellvertretend hierfür seien die Arbeiten von Erlandsson (16), Eklund (17), Fritts (18), Feliksik (19) und Schweingruber (20) genannt.
In den temperierten Gebieten Westeuropas ist dagegen eine klare Trennung der Temperatur-und Niederschlagseinflüsse nicht möglich; Feuchtigkeit und Wärme können nämlich in ihrer Bedeutung für das Baumwachstum zeitlich und räumlich wechseln. Diesen Nachweis lieferten die Untersuchungen von B. Huber, dem Begründer der Dendrochronologie in Europa, und seiner Schüler in den Jahren 1948 - 1966.

Eingehende Untersuchungen dieser komplexen Gegebenheiten sind in Westeuropa erst möglich, seitdem geeignete statistische Verfahren und Computerprogramme zur Verfügung stehen. Ein weltweit anerkanntes Verfahren hat Harald C. Fritts (21) entwickelt, das er in seinem Buch "Treering and Climate" ausführlich darlegt. Nach diesem Modell arbeiten heute die meisten Institute, die sich mit der Dendroklimatologie beschäftigen.
Dieses Verfahren soll hier nur kurz umrissen werden. Eine dendroklimatologische Untersuchung verläuft zumeist in zwei Schritten. Zunächst werden die Beziehungen zwischen Klimareihen und zeitgleichen Jahrringbreitenschwankungen für einen Zeitabschnitt berechnet (Eichphase). Man wählt hierfür in der Regel die letzten 50 - 60 Jahre aus.

Für einen weiteren, sich hieran anschließenden älteren Zeitabschnitt von ebenfalls 50 - 60 Jahren werden nun die aus der Eichphase ermittelten Klima-Jahrring-Bezugsgrößen geprüft (Prüfphase). Aus den Bezugsgrößen und den Jahrringbreitenschwankungen werden Klimaschwankungen errechnet, die man dann mit den tatsächlichen Klimadaten vergleicht (Prüfphase). Nach dem Grad der Übereinstimmung wird entschieden, ob eine Klimarekonstruktion über die Wetteraufzeichnungen hinaus sinnvoll ist.

Nach diesem Verfahren haben wir Eichen aus Schleswig-Holstein, dem Wesergebiet und aus dem Kölner Raum untersucht und Bestände ausgewählt, die nicht weiter als 10 - 20 km von Wetterstationen gelegen waren.